Ach du Strick!

Das laute Schweigen der Garne

Ja, ich gehöre zu den Garnkäufern, die Garn auch ohne Plan kaufen. Es kommt zwar hin und wieder vor, dass Garn für ein bestimmtes Zielobjekt „zweckgebunden“ ins Körbchen wandert, aber das ist eher selten der Fall. Viel häufiger kaufe ich aus einer Gefühlslage heraus, wenn die Schmetterlinge im Bauch erwachen und das Teufelchen zu meiner Linken in mein Ohr flüstert, dass es ok ist, noch mehr Garn anzuhäufen. Die typischen Trigger sind zumeist die weiche Haptik, interessante Materialkombinationen oder schlichtweg die Farbe. Immer wieder erkläre ich mir und meinem Freund, wie unglaublich wichtig der Kauf war und ich schon GENAU weiß, was daraus wird bzw. werden KÖNNTE. Oft stimmt sogar die spätere Richtung, aber… es gibt auch Garne, die nicht kooperieren.

Eine bittere Pille, die die meisten von uns schon schlucken mussten: Nur, weil UNS das Garn gefällt, mag es UNS noch längst nicht.

Ich möchte diese Weisheit an einem Beispiel festmachen, was mich auch zu diesem Blogpost bewegt hat. Im letzten Urlaub konnte ich endlich mal wieder in einem lokalen Laden stöbern, durchwühlte die Regale, knautschte die Knäule und war ganz benommen von der Farbenpracht um mich herum. Während ich meinen Zieleinkauf erledigte (2x Unisockengarn, na gut… vielleicht auch 3), fiel mir die Alpaca Soxx von Lang Yarns (Werbung, da Affiliate-Link) in einem wundervollen Tannengrün auf. Ich MUSSTE einfach zuschlagen und ging im Geiste alle möglichen Strickmuster durch. Mir gefiel wirklich jedes von ihnen und ich machte sogar ein spontanes Erinnerungsfoto meiner erlegten Beute. Das Projekt KONNTE nur genial werden!

Zuhause angekommen, schlug ich das Garn an, strickte munter drauf los, ignorierte das Gefussel, da bekanntermaßen das Ergebnis zählt und beendete schnell das Bündchen. Ich überlegte kurz, welches Muster mir am besten gefallen würde und schloss einige aus. Das Garn ist relativ dunkel und durch die Struktur hätte mir ein feines Lacemuster nicht gut gefallen. Ich entschied mich für das Minecraft-Muster. Einige cm weiter musste ich feststellen, dass mir die Kombination nicht gefiel. Ich ribbelte bis zum Bündchen, strickte das Waffelmuster und… ribbelte es. Langsam begann ich zu ahnen, welche Sorte Garn ich mir ins Haus geholt hatte. En janz „Fiese-Möpp“.



Es gibt Garne, die relativ gefällig sind. Sie sehen mit allen Mustern gut aus und machen einfach eine hübsche Figur. Jeder Anschlag ein Treffer und jedes Projekt ein kleines Kunstwerk. Dem entgegen stehen die anderen Garne, die die nicht „sprechen“, introvertiert sind und einem partout nicht verraten wollen, was aus ihnen werden soll. Man strickt, ribbelt, strickt und irgendwann durchbricht man den Kreislauf, in dem man es beleidigt in die Schäm-dich-Kiste wirft. Die richtig hartgesottenen Handarbeiter:innen ziehen es durch und stricken Muster für Muster durch, bis das passende dabei war. So bin ich nicht. Mein (traumhaftschönes) grünes Garn liegt aktuell in der dunklen Kiste und muss sich so lange schämen, wie es mir genehm ist! … Wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum, da selbst glattrechts gestrickt einfach einen WOW-Effekt in mir hervorruft und sorry, bei Schuhgröße 42 muss es das 😀

Woran liegt es, wenn Garn uns ignoriert und mit brutalem Schweigen straft?

Ich hatte viel Zeit zum nachdenken, als ich speziell dieses Garn x Mal geribbelt und neuangestrickt habe. In diesem Fall kam ich zu dem Entschluss, dass es die Garnstruktur und meine Erwartungshaltung waren, die eine nüchterne und sachliche Zusammenarbeit unmöglich gemacht haben. Meine Lieblingsfarbe, das unbekannte Material, eine Portion entspanntes Urlaubsfeeling und viel zu viel Fantasie, haben jeden Raum für Sachlichkeit genommen. Ich bildete mir ein, dass das Garn, in das ich mich verliebt hatte, auch von allen anderen geliebt werden würde. Meine Erwartungshaltung hat verhindert, dass ich die Socken heute tragen kann. Ich hatte erwartet, dass ich einfach irgendwie drauflosstricke und neue Lieblinge im Kleiderschrank hätte. Ein Schuss, ein Treffer.

Wie also umgehen, mit den eigenen Dämonen?

Nun, wohl kaum etwas ist schwerer, als die eigene Vorstellung und die damit einhergehende Erwartungshaltung zu reduzieren. Ich möchte vor jedem Projekt glauben, dass es das schönste aller sein wird, mein neues Lieblingsstück. Wäre dieser Zauber nicht vorhanden, würde man sich wohl kaum in tage- wenn nicht sogar wochenlange Arbeit und den teilweise hohen Kosten stürzen. Meine Lehre ist allerdings, dass ich dem Garn eine echte Chance geben werde, sobald sich das Jahr dem Ende zuneigt. Es muss kein neues Lieblingssockenpaar werden, es reicht, wenn ich warme Füße habe und die Farbe passt. Mein übertriebener Anspruch wird der harten Realität angepasst: Letztendlich ist es einfach nur ein Sockenpaar. Klingt hart, ist aber wahrscheinlich die gesündeste Einstellung dazu.

An der Stelle sei jedoch der Vollständigkeit halber erwähnt, dass es natürlich auch andere Probleme, als die eigene Vorstellungskraft, gibt.

Es kann beispielsweise passieren, das ein gekauftes Knäuel wunderschön aussieht und der Farbverlauf vielversprechend wirkt. Sobald es jedoch anstrickt wurde, offenbart sich eine Farbpallette des Grauens, die man selbst SO (!) NIE (!) zusammengeschustert hätte. Zugegeben, ich habe das Problem eigentlich sehr selten, allerdings viele andere Handarbeiter:innen. Nicht nur, dass einem die Farbe nicht zusagt, es stirbt damit oft auch jeder Funken an Fantasie, der daraus noch ein schönes Projekt geschaffen hätte. In diesen Fällen ist es wahrscheinlich das Beste, wenn man sich entweder von dem Garn trennt und es verkauft oder aber anderen eine Freude macht. Ich hatte auch schon Garne in der Hand, die mir persönlich nicht so richtig gefallen haben, ich aber genau wusste, wem es gefallen würde. Diese Knäule werden dann gerne Geburtstags- oder Weihnachtssocken und können so trotzdem ihren Zweck erfüllen.



Ein weiterer Grund, wieso Garn schweigt, ist oft die Menge. Dieses Problem haben vor allem Menschen wie meiner einer, die aus einer Emotion bzw. Gefühlslage heraus kaufen und hinter her für jedes erdenkliche Projekt zu wenig oder zu viel Garn haben. Wenn meine Stammhandfärberinnen eine Farbe auf den Markt schmeißen, die ich unbedingt haben muss, kaufe ich immer nur einen Strang. Man will ja nicht maßlos sein. Das ist allerdings potenziell problematisch, da ich in diesen Fällen entweder nur kleine Tücher oder ein Paar Socken daraus stricken kann und mich so direkt von vornherein in meinen Möglichkeiten beschneide. Oft lassen sich einzelne Stränge nicht so kombinieren, dass das Ergebnis daraus harmonisch wird. Bei mir ist das Risiko eher gering, da ich am liebsten Socken stricke, aber auch ich habe mich schon über die unpassende Menge geärgert und stand dann auf dem langen Handarbeitsschlauch. Das genaue Gegenteil kann allerdings genauso zum Problem werden. In meiner Kiste versteckten sich auch schon 2 Knäuel der gleichen Sorte und ich hätte nur zu gerne ein Paar Socken daraus gestrickt. Für ein solches Paar reicht jedoch ein Knäuel aus und was wäre aus dem anderen Knäuel geworden? Ein Liegrümchen, ohne Zukunft? Genauso blöd.

… und darauf aufbauend kann ich direkt an meine Peru Tweed von Lana Grossa (Werbung, da Affiliate-Link) anknüpfen. Dieses Garn ist einfach eine Augenweide! Die Struktur ist absolut fantastisch, es sieht wundervoll aus und die kleinen Tweedsprenkel greifen viele Farben auf, sodass eine Kombination mit den unterschiedlichsten Garnen grandios aussehen KANN. Ein graues und ein grünes Knäuel durften in meinen Einkaufskorb wandern und von dort aus in meinen Schrank… Ich habe es innerhalb von 2 Jahren nicht geschafft, mir eine sinnvolle Konstruktion zu überlegen und die beiden Garne würdig zu verarbeiten. In meinem Kopf gab es unzählige Möglichkeiten, Dreieckstücher aus „normalen Garn“, unterbrochen vom Tweed, Socken mit Flausch, Pullover mit Flausstreifen, aber zuhause angekommen, konnte sich einfach keine Idee wirklich durchsetzen. Jedes Mal, wenn ich eine bestimmte Kiste öffnete, fühlte ich ein kleines „Hach“ meine Kehle hochsteigen. Noch immer verliebt, noch immer ideenlos. Vor kurzem rappelte es mich plötzlich und ich hatte das starke Bedürfnis, einen Schal zu stricken – ihr kennt das. Ganz bewusst, habe ich drei Knäuel rausgesucht, für die ich bisher absolut keine Eingebung hatte und beschloss kurzerhand einen Loop aus einem Garnmix zu stricken. Obwohl ich nicht wirklich überzeugt war, strickte ich drauf los und befriedigte zumindest den Drang neues Garn zu kaufen. Zugegeben, ich finde die farbliche Zusammenstellung stimmungsvoll herbstlich und es KÖNNTE was werden, aber auch nach dem Anstrick bin ich einfach nicht überzeugt. Allerdings werde ich dieses Projekt, wenn auch im Schneckentempo, dennoch durchziehen. Das hat schlicht und ergreifend den Grund, dass Garn auf alle Fälle zu schade für die Schublade ist.

Fazit: Ich habe selber noch keinen optimalen Umgang mit schweigendem Garn gefunden. Wahrscheinlich ist eine kleine Analyse immer das, was man an dieser Stelle gebrauchen kann. Ist es die zu hohe Erwartungshaltung, der das Garn kaum gerecht werden kann? Oder ist es die zu geringe Menge und könnte man ggf. Garn nachkaufen? Ist es die Struktur, das Material, was einem zwar im Laden gefiel, zuhause aber zu aufdringlich wirkt? Vielleicht hilft es an der ein oder anderen Stelle, wenn man das Problem klar benennen kann. In meinen Fällen werde ich es einfach auf ein Experiment ankommen lassen und das Sockenpaar aus der Alpaca Soxx bzw. den Loop aus dem Garnmix stricken, obwohl ich nicht überzeugt bin. Im Anschluss werde ich euch definitiv darüber berichten und hoffentlich einen kleinen Durchbruch oder zumindest eine neue Erkenntnis haben.

Sollte jemand unter euch sein, der das Problem des „schweigenden Garns“ kennt und für sich persönlich eine Lösung gefunden hat (außer VERKAUFEN! ;)), würde ich mich SEHR über einen Kommentar freuen. Ich denke, dieses Problem haben einfach zu viele Handarbeiter:innen, als das man solch ein Wissen im versteckten Kämmerlein halten sollte 😀


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